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Methadon: Wunderwaffe gegen Krebs?
Methadon ist für viele Krebs-Patienten eine neue Hoffnung im Kampf gegen ihre bösartige Erkrankung. Die bisherige Evidenz ist jedoch eher ernüchternd.

Methadon: Wunderwaffe gegen Krebs?

Hoffnungen bislang nicht bestätigt

Bei aggressiven Hirntumoren kommt oft jede Hilfe zu spät. Doch seit einiger Zeit gilt Methadon als mögliches Wundermittel gegen den Krebs. Was sagen Experten?

Seit einem Bericht der ARD im April dieses Jahres schöpfen viele Krebs-Patienten neue Hoffnung: Methadon heißt die angebliche Wunderwaffe im Kampf gegen die oft tödlich verlaufenden Gewebswucherungen. Die positiven Berichte beruhen vor allem auf einer im März veröffentlichten Studie mit 27 Patienten, die an einem Glioblastom litten, einer besonders bösartigen Hirntumor-Form. Im Rahmen dieser Studie erhielten die Teilnehmer zusätzlich zur herkömmlichen Chemotherapie eine steigende Dosis Methadon. Bei zwei Drittel von ihnen bildete sich der Tumor zurück, ohne dass es bis Ende der Studie zu einem Rückfall kam. Die Mehrzahl der Patienten verspürte zudem keine Nebenwirkungen – beides außergewöhnlich hohe Werte. 83 Prozent aller onkologisch tätigen Ärzte geben einer aktuellen Umfrage zufolge an, mittlerweile „oft“ oder „sehr oft“ auf die Möglichkeit einer Methadon-Therapie angesprochen zu werden.

Wie Methadon bislang eingesetzt wird

Bei Methadon handelt es sich um ein sogenanntes Opioid, also ein Schmerzmittel, das ähnlich wie Morphin wirkt. Unterschieden werden Levomethadon und DL-Methadon: Während ersteres hierzulande in Form des Fertigarzneimittels L-Polamidon® in der Palliativmedizin zugelassen ist, gilt DL-Methadon nicht erst seit der genannten Studie in manchen Kreisen als möglicherweise kurativ wirkendes Krebs-Medikament. Hierzu gibt es bislang jedoch nur wenige Forschungsergebnisse, von einer Zulassung zu diesem Zweck ist DL-Methadon momentan noch weit entfernt.

DGHO sieht Studie über Methadon kritisch

Die Diskussion um DL-Methadon als Krebs-Medikament ist allerdings nicht ganz so neu, wie es das in letzter Zeit aufkeimende Interesse nahelegt. Bereits im März 2015 gaben die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie eine gemeinsame Stellungnahme heraus, in der sie auf eine unzureichende Datenlage zur Methadon-Therapie hinwiesen und vor einem unkontrollierten Off-Label-Use warnten. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) sah nun Anlass für eine aktualisierte Stellungnahme. Darin wirft sie den Leitern der erwähnten Studie vor, vereinzelt fehlerhafte und ungenau berechnete Daten verwendet zu haben. Bei den dargestellten Glioblastom-Symptomen sei unklar, ob die günstigen Therapie-Verläufe zwingend auf die Methadon-Einnahme zurückzuführen seien.

Forschung aus USA zeigt Risiko der Methadon-Therapie

Die DGHO zitiert zudem Studien aus den USA, wo DL-Methadon auch als Schmerzmittel zum Einsatz kommt. Demnach konnte in einem Vergleich von 76 Methadon-Patienten mit einer Gruppe aus 88 weiteren Patienten kein signifikanter Unterschied im Überleben der Tumorpatienten festgestellt werden. In einer anderen Studie wurden über 12 Jahre Daten gesammelt von 30.000 Morphin- und 6.000 Methadon-Patienten, die unter nicht-tumorbedingten Schmerzen litten. Hier zeigte sich, dass das Sterberisiko unter Methadon um 46 Prozent gesteigert war – selbst bei Gabe der niedrigsten Dosis gab es entsprechende Unterschiede. Auch eine aktuelle Veröffentlichung aus Finnland legt ein besonders hohes Sterberisiko bei Methadon nahe.

Hohe Erwartungen der Patienten werden oft enttäuscht

Die DGHO folgert aus den vorliegenden Daten, dass „eine unkritische Off-Label-Anwendung von Methadon nicht gerechtfertigt“ sei, solange keine kontrollierten Studien vorlägen. Problematisch sei neben der möglicherweise erhöhten Sterblichkeit die unrealistische Erwartung vieler Krebs-Patienten. Zwar kann das Methadon-Heilversprechen vielen Patienten Mut geben, den Kampf gegen ihre schwere Erkrankung aufzunehmen. Jedoch berichten 81 Prozent der onkologisch tätigen Ärzte von Enttäuschungen seitens der Patienten in ihrer Sprechstunde. Dr. Carsten Bokemeyer, Direktor am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, fasst die Situation zusammen:

„Verzweifelte Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen greifen nach Methadon als Strohhalm. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass unsere Patientinnen und Patienten das Thema sehr häufig mit in die Sprechstunden bringen. Mit einer Methadon-Therapie verbinden sie Hoffnungen, die sich durch die aktuelle Evidenzlage und die praktischen Erfahrungen von Onkologinnen und Onkologen nicht rechtfertigen lassen. Die meisten dieser Patientinnen und Patienten brauchen gute onkologische Betreuung, Begleitung und Gespräche – nicht ein Methadon-Rezept.“

Weitere Informationen finden Sie hier.

Quellen:

  • Homepage der DGHO
  • D. Michel, R. Möcker & K. Oltmann: Methadon gegen Schmerzen. Deutsche Apotheker Zeitung, Heft 32, August 2017, S. 46-53.

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